Diffusions

Das Prinzip Selbstähnlichkeit

Die Serie Diffusions entstand zwischen 2008 und 2012. Die panoramahaften Bilderwelten in Höhen von bis zu 12 Kilometern zeigen Formen aus Licht, Luft, Wasser und Eis. Diese einzigartigen Perspektiven sind in der Fotografie bis heute ungesehen und entwickeln eine poetische Ästhetik mit transzendentaler Wirkung.

Auf den ersten Blick wirken die Motive wie mächtige Ölbilder oder leichte Aquarelle. Aber: wenn man genau hinsieht, offenbart sich in Details die typische Körnung analoger Fotografie. Ein seltsames Erlebnis, denn in einer Zeit, in der wir mit perfekt produzierten Fotos einer irrealen Welt überschüttet werden, heben sich Tegethoffs Aufnahmen durch ihre malerische Poetik erholsam ab. Man bleibt einfach hängen – und genießt gern ungwohnte Langsamkeit, ungewohnte Größe.

Tegethoffs Bilder sind eine Suche nach Perspektiven auf unser Sein, sogar auf Existenz ohne Sein, auf Proportion und Dimension. Man spürt die Kraft von Beziehungen und Bezügen: riesig oder winzig, simpel oder komplex, lebendig oder leblos. Und man spürt die fast obszöne Beliebigkeit und Subjektivität von Dimensionen. Die unvermeidliche Kehrseite solch seelischer Entgrenzung ist Sehnsucht nach Bezug und Struktur.

Diese Bilder zeigen eine Welt, in der sich Existenz ohne Leben entfaltet. Eine solche Welt über der Welt macht uns deutlich, daß unser Erleben nur eine Ausprägungsform des Seins in einer uns bekannten Materialität ist, und sie läßt erahnen, daß es unendlich verschiedene Versionen der Schöpfung geben kann. So wie Galaxien zusammenfließen, so verschmelzen hier Physik und Metaphysik. Während Raum, Weite, Aggregatzustände und Dimensionen als unbegreifbar entgleiten, offenbart sich hinter dem zunächst diffus vertraut erscheinenden Fluß der Proportionen eben doch ein universelles Prinzip. Dieses läßt sich zwar kaum durch den Verstand erschließen, aber durch sinnliche Intuition. Ein geradezu ästhetisches Erlebnis!

Umbra

Eine weitere Stufe der Abstraktion

Die Serie Umbra geht einen Schritt weiter als Diffusions. Flächige Schichtungen und geometrische Arrangements der Atmosphäre werden bei Umbra nicht wie aus der Sicht eines Beteiligten wahrgenommen, vielmehr ist die Perspektive deutlich distanzierter. Wiederkehrendes Motiv ist die Abstraktion des Erdschattens (engl. Umbra), also des Schattens, den die Erde in ihre eigene Atmosphäre in den sonnenabgewandten Raum wirft – ein geometrischer Effekt, der sich nur bei makroskopischer Betrachtung der Welt aus großer Höhe zeigt, auf der Erde selbst aber nie zu sehen ist. Wieder spielt Tegethoff mit Proportion und Perspektive. Scheinbar Bekanntes wird in Frage gestellt, Neues zeigt sich überraschend und ästhetisch.

Exposed

Spiel mit der Wahrnehmung

Exposed – ein klassisches Fotografie-Thema: Die Langzeitbelichtung.

Zu üblichen Lanzeit-Motiven gibt es bei Exposed einen prinzipiellen Unterschied. Während üblicherweise die Kamrea fest montiert ist und das Langzeitschauspiel vor sich aufzeichnet, ist die Kamera bei Exposed in einem hochdynamischen Umfeld in Bewegung – Wegen der Notwendigkeit größtmöglicher Lichtempfindlichkeit, die mit analogem Material in dieser Situation kaum zu realisieren ist, ist diese Serie überwiegend digital fotografiert. Auch hier sind alle Bilder authentisch und nicht im Nachhinein per Bildbearbeitungssoftware komponiert.

Inhaltlich geht es um Verzerrung oder Entzerrung der Wahrnehmung, Dualismus von Raum und Zeit. Motive, die sich normalerweise nicht erschließen, werden in Struktur und Farbe sichtbar, beispielsweise Himmelskörper in ungewohntem Zusammenspiel mit der Erdoberfläche.
Auch hier: Perspektive ist der zentrale Aspekt, und zwar diesmal auch zeitlich. Die Serie Zeit kann deshalb als weiterer Schritt nach Umbra gesehen werden.